Was ist eigentlich Kritik, Hans Magnus Enzensberger? Ein Streitgespräch übers Streiten

Das Wort „Utopie“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich „Nicht-Ort“. Wikipedia sagt: Eine Utopie ist der Entwurf einer fiktiven Gesellschaftsordnung, die nicht an zeitgenössische historisch-kulturelle Rahmenbedingungen gebunden ist. Ob sich ihre Befürchtungen oder Hoffnungen trotz oder wegen ihrer Thematisierung bewahrheitet haben oder nicht, bleibt im Rückblick immer Spekulation, doch schon der Entwurf erfordert Mut: Wer Utopien denkt, der denkt Alternativen, und wer das laut tut, der übt Kritik. Und als einer, der Utopien denkt und ihnen nicht nur auf dem Papier, sondern auch im Leben einen Raum…

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»La Mélancolie des dragons«: Die Poesie des Gewöhnlichen

Hohe Bäume, ein alter Citroën mit Anhänger, eine dicke Schneedecke. Rocker mit langen Mähnen, die im Wagen Musik hören, sich unterhalten, headbangen, Bier trinken, mitsingen, dösen. Die Inszenierung „La Mélancolie des dragons“ von Regisseur Philippe Quesne am HAU Berlin beginnt mit einer quälend langen Ouvertüre. Irgendwann öffnet sich die Autotür, die Insassen steigen aus: Etwas am Wagen scheint nicht zu stimmen. Eine Passantin kommt, wird herzlich willkommen geheißen, begutachtet das offensichtliche Chaos unter der Motorhaube. Immer noch hat niemand etwas gesagt, was an ein Publikum gerichtet sein könnte.…

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Transit: Heimat, nirgendwo.

Ein wohliges Gefühl von Zuhause in vollkommener und verstörender Fremde, ein befreiendes Aufzeigen von Möglichkeiten durch ein schmerzhaftes In-Frage-Stellen aller bisher angenommenen: Selten war ich so glücklich wie während meiner Zeit in Israel, und nie war mir die Widersprüchlichkeit dieses Gefühls so bewusst. Mit dem Abschied im Juli begann ein Transit, ein seit drei Monaten anhaltendes Nicht-Loslassen-Können, Nirgends-Ankommen-Wollen, Verleugnen von Zeit, Raum, und den Fesseln, die an beiden hängen.     Der Besuch kam an und wir zogen los zu einer letzten großen Reise durchs Land, von der…

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Erinnerungsräume

Drei Wochen lang steckte ich im Spagat zwischen Hausarbeiten, dem Lernen für die Abschlussprüfungen und dem Abschiednehmen von einer Stadt, ihren Menschen und, besonders innig: Von der Kaffeemaschine in meinem Büro. Der Bücherstapel in meinem Regal wuchs, mein Koffeinkonsum ging in die Höhe, und die offenen Tabs in meinem Browser machten das Surfen zunehmend unübersichtlich. In mir herrschte eine verwirrte Mischung aus gestresst und wehmütig. Ständig war etwas „Zum letzten Mal“: Ein letztes Mal gefüllte Weinblätter in der Unimensa essen, ein letztes Mal im Hebräisch-Kurs an den Präpositionen…

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Tomaten-Quinoa mit Paprika und Basilikum

Die meisten Zutaten verwendet man ja nicht deshalb nicht, weil sie so wahnsinnig schwierig zuzubereiten wären, sondern weil man einfach nicht drauf kommt. Für mich war Quinoa lange Zeit so eine Zutat. Mit meinem Umzug nach Jerusalem hat sich das mit einem Schlag geändert. Denn hier gibt es Quinoa nicht nur fast an jeder Ecke des Shuks, es ist auch verhältnismäßig günstig. In Europa kannte ich das Korn vor allem aus der veganen Küche oder als Beilage in glutenfreien Gerichten, und irgendwie klang es immer ein bisschen fancy…

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Gefährliche Geduld

Das Niemandsland beginnt kurz hinter der jüdischen Siedlung Har Adar und dem palästinensischen Dorf Qatanna, wenige Kilometer im Nordwesten von Jerusalem. Die „Green Line“, die nach dem Waffenstillstand mit Jordanien 1949 die Außengrenze Israels war und seit dem Ende des Sechstagekriegs 1967 die Grenze zwischen Israel und den besetzten Gebieten markiert, spaltet sich hier in zwei Demarkationslinien, die einen schmalen Streifen Land einschließen. 1949 hatten Israel und Jordanien sich darauf geeinigt, dass diese Fläche von nicht einmal 46 km² Niemandsland bleiben sollte, und auch nach 1967 hat Israel…

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